Baldrian ist eine dieser Pflanzen, die man einfach nicht übersehen kann. Wenn im Sommer sein süßlich-würziger Duft durch den Garten zieht, hat das fast etwas Zauberhaftes. Kein Wunder, dass er schon seit Jahrhunderten eine wichtige Rolle in der Volksmagie spielt. Früher hängte man getrocknete Baldrianwurzeln über Türen und Fenster, um böse Geister fernzuhalten. Rund ums Bett verstreut, sollte er schlechte Träume vertreiben und das Träumen klarer machen. Manche glaubten sogar, dass Katzen den Baldrian vor Hexen bewachen – wahrscheinlich, weil sie so verrückt nach dem Duft der Wurzeln sind. Wer schon einmal gesehen hat, wie sich Katzen auf einem Stück getrocknetem Baldrian wälzen, weiß, was gemeint ist.
Auch in der Heilkunde hat Baldrian seinen festen Platz. Seine Wurzel ist ein sanfter, aber wirkungsvoller Helfer bei Nervosität, Einschlafproblemen oder Prüfungsangst. Die Inhaltsstoffe wirken beruhigend auf das Nervensystem, ohne müde zu machen oder abhängig zu machen. Ein Baldriantee oder ein paar Tropfen Tinktur am Abend können wahre Wunder wirken, wenn der Kopf einfach nicht zur Ruhe kommen will. Geerntet wird die Wurzel am besten im Herbst, wenn die Pflanze ihre ganze Kraft dorthin zurückgezogen hat.
Bei uns im Garten hat der Baldrian längst beschlossen, sein eigenes Ding zu machen. Woher er ursprünglich kam und welchen Platz er zuerst besiedelt hat, weiß heute keiner mehr. Inzwischen taucht er überall auf, wo es ihm gefällt – gern mitten am Wegrand (was für Baldrian eher ungewöhnlich ist) oder sogar auf den begrünten Dächern. Ich finde das großartig. Er folgt keinem Plan, sondern lässt sich einfach vom Wind treiben und sucht sich seine Plätze selbst. Jedes Jahr entdecke ich neue kleine Überraschungen, wenn irgendwo zwischen Steinen plötzlich ein Baldrian auftaucht und stolz seine Blütendolden in die Höhe streckt.
Ich mag diese wilde Eigenwilligkeit. Baldrian ist nicht nur ein Heilkraut, er bringt auch ein Stück Magie und Lebendigkeit in den Garten. Und wenn man ihm ein bisschen Raum lässt, zeigt er ganz von selbst, wo er sich wohlfühlt – manchmal an den ungewöhnlichsten Orten.
