Tief im Schatten der Wälder wächst eine Pflanze, die so geheimnisvoll ist, wie ihr Name klingt: das Große Hexenkraut – eine meiner persönlichen Favoriten. Schon der erste Blick verrät, dass hier etwas Besonderes wächst – zart, unauffällig und dennoch umgeben von einem Hauch Magie. Für viele ist es einfach nur ein grünes Waldgewächs, doch wer genauer hinsieht, entdeckt eine lange Geschichte voller Volksglauben, Heilkunde und Zauberkraft.
Das Große Hexenkraut, botanisch Circaea lutetiana, trägt nicht nur einen märchenhaften Namen – selbst die wissenschaftliche Bezeichnung steckt voller Magie. „Circaea“ leitet sich von der Zauberin Circe aus der griechischen Mythologie ab, die ihre Besucher mit Kräutern betörte. Und „lutetiana“ verweist auf Lutetia, das alte Paris – eine Stadt, die einst als Zentrum für Alchemie und Magie galt. Schon allein dieser Name lässt erahnen, welche Rolle die Pflanze einst im Denken der Menschen spielte.
In alten Zeiten glaubte man, dass das Hexenkraut unsichtbar machen oder in andere Welten führen könne. Ob das stimmt? Wer weiß – sicher ist: Seine Wirkung auf die Fantasie ist unbestritten. Und ganz ohne Zauberspruch bleibt eine sehr reale Eigenschaft, die jeder Waldspaziergänger kennt: Die kleinen Früchtchen des Hexenkrauts haften wie Kletten an Kleidung, Tierfell oder Haut. Als hätte die Pflanze beschlossen, sich an uns zu hängen – vielleicht in der Hoffnung, mitgenommen zu werden in unsere Welt. So verbreitet sie ihre Samen und sorgt gleichzeitig dafür, dass wir sie nicht so schnell vergessen.
Man sagt dem Kraut auch nach, dass man durch das Essen einiger Blüten einer Pflanze geduldiger und sympathischer wirkt und auch mehr Fingerspitzengefühl hat (Geduld fehlt mir meistens, vielleicht zieht mich dieses Pflänzchen deshalb so an 😉).
Wer dem Hexenkraut begegnet, wird es wahrscheinlich nicht gleich als solches erkennen – und vielleicht ist genau das Teil seines Zaubers und gleichzeitig auch der Startpunkt einer schönen Geschichte: Für mein Herbarium wollte ich diese Pflanze unbedingt sammeln und trocknen. Im Jahr zuvor hatte ich einen großen Bestand in einer wilden Ecke unseres Gartens entdeckt – doch als ich in diesem Jahr mit Sammelabsicht auf die Suche ging, fand ich keine einzige Pflanze mehr, so viel ich auch suchte.
Zur gleichen Zeit wuchs aber im – noch nicht bestellten – Hochbeet eine unbekannte kleine Pflanze heran. Neugierig, was sich daraus wohl entwickeln würde, jätete ich sie nicht aus, sondern ließ sie erstmal wachsen. Und siehe da – es war tatsächlich das gesuchte Hexenkraut 😊 seither darf es – in kleiner Zahl – dort neben dem Gemüse wachsen und es erfreut mich jeden Sommer wieder mit seinen zarten, weiß-rosa Blüten.